Geschichte

Autofahrer verlangsamen am Sonntagabend das Tempo auf der Wittnauer Hauptstrasse, wenn sie die imposanten Feuerbilder sehen. Der alte Brauch des Fasnachtsfeuers wird alljährlich mit viel Elan durchgeführt. Das während dieser Zeit in zweigeteilte Dorf errichtet prächtige Flammenbilder und auffallende Feuer. Am Ende des Fasnachtsfeuers wird mit einer Fackel, begleitet von lautem Gebrüll, ins Dorf marschiert. Die Flammenschriften wie es die Wittnauer erstellen, sind nirgends in der Schweiz so zu betrachten. Der Brauch aus der Zeit der Heiden lässt in der Wittnauer Dorfbevölkerung viele Fragen offen.

Auch ist kein Dokument vorhanden, welches dieses Ritual beschreibt oder näher darauf eingeht. Sollen die am Sonntagabend abbrennenden Feuer den Winter vertreiben oder ist das nur eine Vermutung? Da ich selbst jedes Jahr mit viel Enthusiasmus am Fasnachtsfeuer der Oberdörfler mithelfe, sind das Fragen auf welche ich näher eingehen möchte, um sie mit Fakten beantworten zu können. Ein weiteres Anliegen von mir ist das derzeitige Wissen der Dorfbewohner in einem Dokument festzuhalten, da sonst die Informationen allmählich verloren gehen, oder nur immer mündlich weiter gegeben werden, wie es bisher üblich war. Natürlich möchte ich auch herausfinden warum der Brauch des Fasnachtsfeuers in anderen Dörfern verschwunden ist, bei uns in Wittnau jedoch immer noch auf eine grosse Begeisterung stösst.

Herkunft des Fasnachtsfeuers

Das Fasnachtsfeuer ist ein Kulturerbe der Heiden. Sie glaubten an verschiedene Götter. Einer der beliebtesten Götter der Heiden war Thor. Er galt als Herrscher über Blitz, Donner und Fruchtbarkeit. Sie verehrten Thor mit dem Sonnenwendefeuer welches am 21.März, dem Frühlingsanfang, stattfand. Sie errichteten grosse Feuer, mit welchen der Stolz des Windes und des schlechten Wetters gebrochen werden sollte. Aus anderen Schriften ist zu lesen, dass die Heiden Feuerräder über die Felder rollen liessen. Dadurch sollte die Fruchtbarkeit des Bodens geweckt werden. Nach Auskunft von Paul Hochreuter, der von den Dorfleuten s’Marxe Pauli genannt wurde, und 1999 starb, machte man früher keinen Fackelumzug, sondern liess brennende Autopneus ins Tal rollen, welche von 2 Personen begleitet wurden. Wir sehen hier also, dass der heutige Fackelumzug, welcher früher durch Feuerrollen praktiziert wurde, schon in der Heidnischen Zeit verankert ist. Das Abbrennen der auffallend grossen Feuer wird seither immer noch in Wittnau durchgeführt. An anderen Orten nennt man das Fasnachtsfeuer auch Funkenfeuer. Als die Christliche Religion in Europa überhand genommen hatte, verlegten sie das Fest auf das heutige Datum, dem Sonntag nach Aeschermittwoch.


Aber wie schon erwähnt, sind dies nur Annahmen, denn schriftlich wurden über den Ursprung des Wittnauer Fasnachtsfeuers nichts festgehalten. Es gibt einen ähnlichen Brauch wie das Fasnachtsfeuer, das sogenannte Scheibenschlagen. Es ist anzunehmen, dass dieser Brauch, die gleiche Herkunft hat aber einfach ein bisschen anders ausgeführt wird. Erstmals erwähnt wurde diese Festtradition von den Heiden in der Klosterchronik von Lorsch, als am 21.März 1090 das Kloster durch das Scheibensprengen von Lorsch niederbrannte. Auf das Scheibenschlagen wird in diesem Dokument leider nicht näher eingegangen. Das Wittnauer Fasnachtsfeuer wurde bei einer Unklarheit der Dorfgrenzen von Frick, Wegenstetten und Wittnau am 13.Juli 1493 erstmals Schriftlich erwähnt. Da den christlichen Priestern das Fasnachtsfeuer immer ein Dorn im Auge war, wollten sie es abschaffen. Aus Trotz wurde nach Auskunft von Herr Ricklin, früher immer am Fasnachtsfeuersonntag eine Christenlehre durchgeführt. Damit machte sich Pfarrer Thali unbeliebt. Als Herr Thali sein 50 Jahre Priesterjubiläum feierte, erstellten die Unterdörfler ein Flammenbild um Ihn zu Ehren. Doch während dem Abbrennen des Flammenbildes verdeckte eine Nebelwolke die Sicht. Zu dieser Zeit munkelte man, Gott hätte Pfarrer Thali bestraft, da er nie Freude am Fasnachtsfeuer hatte. Der Pfarrer sah was im Dorf ablief und wollte die Jugend davon abhalten am Fasnachtsfeuer teilzunehmen, denn während der Feier ist es den Kindern erlaubt Alkohol zu trinken und zu rauchen. Trotz seiner moralischen Belehrung ist es ihm nicht gelungen die Kinder davon abzuhalten.

Das Oberdorf

Die Oberdörfler entfachen das Fasnachtsfeuer auf dem Limperg und in der Schiffländi. Auf dem Limperg wird das Flammenbild und der Butzer aufgebaut und in der Schiffländi wird der passende Text dazu geschrieben.

Trägerverein Oberdorf

Der Trägerverein Oberdorf zählt 230 Mitglieder. Er wurde im Jahr 2000 gegründet. Der Verein sollte dafür sorgen, dass die Finanzierung des Fasnachtsfeuer Oberdorf gesichert ist. Das Fasnachtsfeuer würde es in dieser Pracht nicht geben wären da nicht die zahlreichen Mithelfer. Während dieser Zeit sind auch andere Wittnauer Dorfbewohner am Fasnachtsfeuer aktiv, welche nicht dem Verein angehören. Man kann mit ruhigem Gewissen sagen, dass das ganze Wittnauer Dorf auf den Beinen ist. Die Vorbereitungen beginnen bereits Wochen vor dem Fasnachtsfeuer. Der Vorstand des Trägervereines darf entscheiden welches Sujets mit den Flammenbildern an der Jura Kette erstrahlen wird. Es werden jeweils 150 Liter Petrol bestellt, um die Fackeln schneller brennen zu lassen Auch das Essen wird organisiert und für die Anwohner des Oberdorfes stolze 400 Liter Bier besorgt. Zudem wurden spezielle Kleider gefertigt. Dieses Jahr wurde ein Stoffbild erstellt auf welchem zu sehen ist wie die Unterdörfler verlieren. Es wurden zwei Adler genommen, weil das Wittnauer Dorfwappen auch aus zwei Adlern besteht. Dieses Stoffbild konnte sich jeder Helfer auf die Kleider nähen lassen.

Ablauf des Fasnachtsfeuers im Oberdorf

Am Mittwoch Abend beginnt man mit den Vorbereitungen der Fackeln. Man besammelt sich in der alten Wäbi. Da es meistens um die 200 Fackeln braucht reicht die Zeit am Mittwoch nicht um alle Fackeln fertigzustellen. Daher treffen sich die rauflustigen Leute vom Oberdorf noch nochmals am Freitag gegen acht Uhr. Nachdem die Arbeit getan ist, gemessen die fleissigen Arbeiter eine feine Mehlsuppe, um sich für die kommende Nacht und Tage zu stärken. Meistens werden während dieser Zeit neue Spotferse komponiert, was natürlich nur mit viel Humor und Bierkonsum lustig wird. Nach ein paar Stunden Schlaf ist meistens für einige um 9.00 Uhr Tagwach. Es müssen für die Gerüste der Flammenschriften grüne und kleine Tannenbäume gefällt werden. Am Nachmittag besammeln sich alle Helfer im Restaurant Krone. Man begibt sich mit dem Traktor auf den Limperg und in die Schiffländi. Auf dem Limperg wird das Flammenbild und der Butzer aufgebaut. In der Schiffländi wird eine Flammenschrift vorbereitet. Sobald es zu dämmern beginnt marschiert man in die Schiffländi, dort verbringt man mit einer Wurst und viel Bier den weiteren Abend. Natürlich werden andauernd Spotverse gesungen, ja man kann schon nicht mehr von singen reden, sondern eher brüllen. Mit einem schweren Kopf steht man dementsprechend am Sonntag wieder auf, erneut besammelt man sich um ca. 13.00 Uhr in der „Krone», welche im Oberdorf liegt. Voller Energie wird bei jedem Wetter die Arbeit am Fasnachtsfeuer wieder aufgenommen, um auch sicher das schönere und grössere Feuer zu haben, als das Unterdorf, die von uns als „Beiabschisser» betitelt werden. Unter dem Motto „wer arbeitet braucht auch Pausen» wird bei Gesang öfters ein Bier genossen. Gegen Abend werden dann die arbeiten abgeschlossen und das Warten auf den Böllerschuss, welcher um 20.00 Uhr ertönt, beginnt. Der Böllerschuss ist das Zeichen, dass mit dem Anzünden der Fackeln begonnen werden darf. Bis zu diesem Zeitpunkt fliesst viel Bier was die Stimmung natürlich ankurbelt. Sobald der Böllerschuss ertönt, werden alle Fackeln am Gerüst entfacht. Last But Not Least, beginnt der Fackelumzug. Mit lautem furchterregendem Gebrüll wird ins Dorf marschiert. Dort angekommen wird vor den Augen der Zuschauer noch einmal so richtig die Fackel geschwungen, bevor sie entgültig abbrennt. Mit einem hungrigen Bauch lässt man sich in der Krone nieder, um das vorbereitete Nachtessen einzunehmen. Bis in die frühen Morgenstunden wird dort auf Stühlen, Bänken und oft sogar Tischen weiter gefeiert.

Der Butzer

Der Butzer ist das grösste Feuer, welches nur im Oberdorf errichtet wird. Warum dies Butzer genannt wird ist unklar. Von gewissen Personen ist zu hören, dass dieser Butzer den entstehenden Rauch von den Fackeln abziehen sollte um klare Sicht zu verschaffen. Als erstes wird am Samstag die Butzerstange aufgerichtet. Es ist ein Weisstannenbaum welcher 15m hoch ist. Er wird etwa 2m in den Boden eingegraben und dann aufgerichtet. Um diese Butzerstange wird dann Quadratisch (4x4m) Butzer beim Aufbau das Brennholz geschichtet.
Als Brennmaterial wird nur trockenes, altes Holz aus dem Wald verwendet. Mit der Kettensäge werden die alten Bäume umgesägt, welche dann vorwiegend von den Schülern aus dem Wald gezerrt werden, um am Waldweg einen Holzstoss zu errichten. Mit einem Traktor werden diese Holzstösse her geschleift. Stück für Stück werden sie auf die richtige Länge zugesägt. Die Höhe des Butzers ist etwa 10m hoch. Bei den oberen Lagen wird das Holz von Hand nach oben gehievt. Auf dem Holzstoss sind 2 Personen mit dem richtigen Aufeinanderschichten des Holzes beschäftigt. Die Arbeit wird je höher der Holzhaufen wird immer schwieriger und risikoreicher. Um 18.30 Uhr wird der Butzer angezündet. Die in den Himmel schiessenden Funken sind von weit her zu erblicken. Begleitet von lautem Gesang und Schreien wird das Abbrennen begleitet.

Die Flammenschriften

Das einmalige am Fasnachtsfeuer in Wittnau sind die Flammenschriften und die Flammenbilder. Das Ober- und das Unterdorf erstellen jedes Jahr ihre eigenen neuen Flamenbilder und Flamenschriften. Die Flammenbilder wurden das erste mal im Jahr 1921 auf dem Homberg mit Fackeln erstellt. Früher wurden die Flammenbilder mit mehreren kleinen Feuern gemacht. Für die neue Technik mussten zuerst Erfahrungen gesammelt werden. In der Vorbereitungsphase, also einige Wochen davor werden die Pläne erstellt, auf welchen die genauen Masse eingezeichnet sind. Das Gerüst des Flammenbildes hat eine Höhe von etwa 12m und einer Breite die vom Sujet abhängig ist (bis 17m), die dazugehörige Schrift hat eine Höhe von normalerweise 4m und eine länge von maximal 30m. Mit diesen Grössen sind die Flammenschriften sehr gut vom Dorf her erkennbar, welches etwa 1 km Luftlinie davon entfernt ist. Das Gerüst besteht aus grünen kleinen Tannenbäumen, welche wie schon erwähnt, am Samstag Morgen gesucht werden. Nach dem Plan entsteht das Gerüst, auf dem Löcher gebohrt werden müssen, um die Fackeln befestigen zu können. Das Gerüst wird auf dem Boden zusammengebaut. Am Sonntag Abend wird es senkrecht aufgerichtet, damit es vom Dorf aus sichtbar wird. Dies ist immer eine heikle Phase, denn das Gerüst darf nicht auseinanderbrechen. Angezündet wird die Flammenschrift erst nach dem Böllerschuss, welcher im Unterdorf gezündet wird. In mehreren Zweiergruppen geht man zu jeder Fackel und entflammt diese. Die Unterdörfler erlaubten sich nach dem zweiten Weltkrieg bei den Oberdörflern die Flammenschrift zu verändern. Sie stellten zwischen die Initialen H.G. ein Plus. So wurde mit der Flammenschrift nicht mehr General Henri Guisan geehrt. Die Unterdörfler behaupteten es heisse Hitler + Göring. Auf die absurde Idee kamen Paul Lenzi, Paul Müller und Paul Hochreuter die sogenannten 3 Pauli’s welche heute alle bis auf Paul Lenzi verstorben sind. Damit beide Dorfteile nicht das gleiche Bild als Sujet nehmen, hat das Oberdorf immer in den geraden Jahren das Vorrecht zum entscheiden und während den ungraden Jahren das Unterdorf. Das heisst natürlich, dass sich die zwei Vorstände absprächen müssen.

Der Fackelumzug

Nach dem Anzünden der Flammenschriften beginnt der Fackelumzug. Während dem Fackelumzug singt man die Spottverse, um den anderen Dorfteil einzuschüchtern oder zu verspotten. Die Fackel wird nicht nur gerade in die Luft gehalten, sondern man schwingt die Fackel, um besser gesehen zu werden. Bei der Ankunft nach dem etwa 2 km langen Marsch ins Dorf, warten die Zuschauer des Dorfteils bei welchem man mitwirkt. Es ist anzunehmen, dass der Fackelzug früher, wie schon gesagt, mit Feuerrollen praktiziert wurde. Aus diesem Grund, nehme ich an, dass beim heutigen Fackelumzug die Fackel auch noch geschwungen wird. Beim Oberdörfler Fackelumzug ist zu vermerken, dass es auf der Strecke einen extrem steilen Bereich zu bewältigen gibt. Wenn der Boden Schnee bedeckt ist, gleitet man auf diesem Stück auf dem Gesäss ins Tal. Der Höllenritt, auf welchem Heinz Übelmann alias Chrusi sein Bein einmal brach, ist ca. 200-250m lang. Die Unterdörfler haben in ihrem Fackelumzug noch ein sogenanntes bewegliches Bild eingebaut. Das heisst sie stehen an einem Ort zusammen, dass es aussieht wie ein Flammenbild. Natürlich ist es für die jüngsten Mithelfer immer ein Erlebnis, wenn sie am Fackelzug mitmarschieren dürfen. Gemäss Anton Brogli musste früher vor dem Fackelumzug der Englische Gruss gebetet werden, da um 20.11 Uhr die Betzeitglocken erklangen.

Die Fackel

Die Fackel wurde in früheren Zeiten aus Kienholz gefertigt. Kienholz enthält sehr viel Harz. Da dieser Harz Terpentin haltig ist, brennt dieses Holz auch sehr gut. Karl Schmid-Brogle alias Micheli Karli sagte mal: „Das Holz wurde gesplaten und während dem Jahr nachdem die Mütter Brot gebacken hatten, im noch warmen Ofen getrocknet. Das trockene Kienholz wurde danach mit zwei Eisenringen an einer ca. 2 Ellen langen Stange befestigt. ( 1Elle = ca. 60cm). Die Eisenringe waren meist von alten Holzradnaben. Die Fackel in der heutigen Zeit sieht etwas anders aus. Einen Rundstahl Stab wird mit Lumpenstreifen umwickelt. Ein Lumpenstreifen wird dann wieder mit einem Draht befestigt, und so weiter, bis ein richtiger Knäuel aus Lumpen und Draht entsteht. Die Fackeln der Flammenbilder werden etwas kleiner gemacht als die Fackeln für den Fackelumzug. Am Sonntag Nachmittag werden diese Fackeln im Petrol getränkt. Nach etwa einer viertel Stunde Tränkzeit werden sie herausgenommen und abgetropft. Bei den Fackeln welche für die Flammenschrift und das Flammenbild benötigt werden, sind etwas kleiner als die Fackeln für den Fackelumzug.

(Daten von Oliver Schmutz)